Rolf Deppe (Liccini) †

Rolf Deppe (Liccini) †
1968
Rolf
Deppe (Liccini) †
Statt einer Vita ein paar Zeilen über Rolf Deppe
von René Perraudin


Es ist schon eine ganze Weile her. Ich hatte es eilig, lief die Grolmannstraße entlang Richtung Kudamm, denn ich wollte ins Cinéma Paris und war schon spät dran. Da sah ich Rolf am Tisch eines Straßencafé sitzen, allein, und – ein ganz ungewohntes Bild – ohne Zigarillo oder Zigarre. Wir grüßten uns flüchtig, ich erklärte im Vorbeigehen, dass ich es sehr eilig habe. "Bis dann mal..."
Ich kam gerade noch rechtzeitig, konnte mich aber nicht auf den Film einlassen, denn ständig wirkte das Bild von Rolf in mir nach. Er sah, was ich erst im Nachhinein so empfand, traurig aus, und ich dachte, vielleicht auch enttäuscht.
Der Film war nicht besonders. Ich ärgerte mich über mich selbst, ein Gespräch mit Rolf nach so langer Zeit, die wir und nicht mehr gesehen hatten, wäre wertvoller gewesen. Die Woche darauf versuchte ich einige Male, ihn zu erreichen, aber erfolglos. Und dann war es so, wie es so oft ist: Termine, Stress, anderes im Kopf...
Plötzlich, im August 2010, die Nachricht von Rolfs Tod. Ich war erschüttert und machte mir Vorwürfe. Zu spät.

Rolf Deppe (so sein damaliger Name, ab 1984 Rolf Liccini) hatte ich kurz nach Studienbeginn an der dffb kennengelernt. Er war Jahrgang 1968, also zwei Jahre vor mir. Er war damals wohl der einzige Student, der sich eindeutig dazu bekannte, Kameramann zu sein. Alle anderen Kamera-affinen (später einschließlich mir) verstanden sich als Filmemacher, die eben auch gern die Kamera führen. Für Rolf, den gelernten Koch, der sich autodidaktisch zum Fotografen und dann zum Kameramann ausgebildet hatte, stand fest, dass er bei seinen Leisten bleiben wolle. Er hatte meine Bewerbungsunterlagen gesehen und wusste, dass auch ich mich für Kamera interessiere. Daher fragte er mich, ob ich Lust hätte, mit ihm zusammenzuarbeiten, er bräuchte gelegentlich einen Assistenten. Ich war natürlich begeistert, gestand aber, dass ich noch kaum professionelle Erfahrung habe. Darauf er: "Ich habe deinen Super-8-Prüfungsfilm gesehen. Von Kameraarbeit verstehst du bereits eine Menge." Ich konnte es nicht fassen und schwebte fast vor Glück.

Rolf war Jäger und Sammler. Er jagte nach allem, was an Kameratechnik günstig zu ergattern war und sammelte wie besessen, z.B. Objektive für seine Eclair NPR. Von jeder Brennweite hatte er gleich mehrere Versionen der unterschiedlichen Hersteller: Zeiss, Cooke, Angenieux, Schneider... meist ausrangierte Linsen von Sendern, Studios oder Geräteverleihern. Er hatte die besten Kontakte und wusste immer als erster, was und wo etwas zu haben ist. Durch Justagen am Kollimator und sorgfältigen Tests sortierten wir die besten Optiken heraus. An der Drehbank fertigten wir Adapterringe für Schärfenzieheinrichtungen, Objektivstützen und Rigs. So lernte ich sein reichhaltiges Equipment genau kennen, und das war auch notwendig, denn sein Citroen DS Combi, ein ehemaliger Krankenwagen, war bei jedem Dreh mit einer Unzahl von Gerätekoffern beladen, weit über das zulässige Gesamtgewicht hinaus.

Nach einigen kürzeren Jobs kam der erste lange Spielfilm, bei dem ich assistieren durfte: "Der lange Jammer" von Max Willutzki. Wir drehten mehrere Wochen und waren gut aufeinander eingespielt. Bei wenigen Szenen ließ mich Rolf sogar die zweite Kamera führen. Als der Film fertiggestellt war und ein aufwändiges Kinoplakat, entworfen von dem Grafiker Peter Sorge, in den Druck gehen sollte, schlug Rolf beim Basis-Filmverleih Alarm und stoppte den Druckauftrag. Er hatte den Plakatentwurf gesehen, auf dem stand: "Kamera: Rolf Deppe". Das komme nicht in Frage, war sein Machtwort. Er bestand darauf, dass unsere beiden Namen in den Filmtiteln, auf dem Plakat und bei allen Veröffentlichungen gleichwertig genannt werden. Ich fand das unangemessen, aber er war nicht davon abzubringen. Das war wohl seine Interpretation von sozialistischer Arbeitsteilung, wenngleich ihm jedes ideologische Denken fern war. Er war einfach nur – mir fällt keine treffendere Bezeichnung ein – ein feiner Kerl. Zum Glück liegt Perraudin alphabetisch hinter Deppe, sonst hätte er mich womöglich an erster Stelle genannt.

Wir bildeten noch bei manchen abenteuerlichen Projekten ein eingeschworenes Gespann. So z.B. bei dem Dokumentarfilm von Wolfgang Tumler in Nordirland, "Nachkriegskinder im Krieg", der uns fast das Leben gekostet hätte (s. mein Bericht bei Gardi Deppe, Jg. 1970).

Ein Jahr darauf standen die Dreharbeiten für einen dokumentarischen Spielfilm im Auftrag des WDR auf unserer Agenda: "Hier sind die Löwen", Regie Günther Meisner und Gisela Albrecht, 10 Wochen Dreh in Tansania. Die Vorbereitungen gestalteten sich schwierig. Drei Mal musste der Drehstart verschoben werden, drei Mal hatte Rolf auf andere Angebote zugunsten dieses Films verzichtet. Bei der vierten Verzögerung winkte Rolf ab, allerdings nicht ohne sich dafür einzusetzen, dass ich seinen Part übernehme. Er überzeugte die Produktion, dass ich "mindestens so gut wie er" sei. So kam ich zu meinem ersten "großen Film" als Kameramann. Auf meine Frage, wer ihm nun assistieren würde, antwortete er, ich solle mir darüber keine Sorgen machen, er werde schon jemanden finden. Ich sei flügge, er könne mich auf Dauer sowieso nicht halten, und das wolle er auch auf keinen Fall.
Ja, so war er.
KAMERA:
2004-2005 Balko (TV-Serie) (3 Folgen)
1995-2004 Die Kommissarin (TV-Serie) (10 Folgen)
1988-2003 Ein Fall für zwei (TV-Serie) (7 Folgen)
1998-2002 Die Rettungsflieger (TV-Serie) (23 Folgen)
1998-2000 Fieber: Ärzte für das Leben (TV-Serie) (18 Folgen)
1997 Polizeiruf 110 - Heißkalte Liebe
1992-1996 Wolffs Revier (TV-Serie) (19 Folgen)
1995 Ausweglos (Fernsehspiel)
1995 Der Clan der Anna Voss (TV-Mini-Serie)
1994 Der Havelkaiser (TV-Serie) (2 Folgen)
1994 Berliner Weiße mit Schuß (TV-Serie) (1 Folge)
1994 Das gläserne Haus (Fernsehspiel)
1993 Ein unvergeßliches Wochenende (TV-Serie) (1 Folge)
1992 Liebesreise (Fernsehspiel)
1988-1992 Die Männer vom K3 (TV-Serie) (2 Folgen)
1991 Ausgetrickst (Fernsehspiel)
1990 Das Haus am Watt (Fernsehspiel)
1990 Ron & Tanja (TV-Mini-Serie)
1989 Der Geschichtenerzähler (Spielfilm von Rainer Boldt)
1989 Zugzwang (Spielfilm von Mathieu Carrière)
1989 Peter Strohm (TV-Serie) (1 Folge)
1986 Detektivbüro Roth (TV-Serie) (3 Folgen)
1987 Das Erbe der Guldenburgs (TV-Serie) (6 Folgen)
1986 Tatort - Die kleine Kanaille
1985 Tatort - Tod macht erfinderisch
1985 Drei und eine halbe Portion (Spielfilm von Sigi Rothemund)
1985 Jenseits der Morgenröte (TV-Mini-Serie)
1982-1986 Es muß nicht immer Mord sein (TV-Serie) (6 Folgen)
1984 Ich liebe dich, Juli (Fernsehspiel)
1983 Die Rückkehr der Träume (Fernsehspiel)
1983 Wer raucht die letzte? (Fernsehspiel)
1983 So oder so ist as Leben (Fernsehspiel)
1982 Jack Holborn (TV-Mini-Serie)
1982 Dannys Traum (Fernsehspiel)
1982 Flucht aus London (Fernsehspiel)
1982 Piratensender Power Play (Spielfilm von Sigi Rothemund)
1981 Silas (TV-Mini-Serie)
1981 Auf Schusters Rappen (Fernsehspiel)
1981 Das waren noch Zeiten - Kalke & Söhne (Fernsehspiel)
1981 Die Rückkehr der Träume (Fernsehspiel)
1981 Die Baronin (Fernsehspiel)
1980 Meister Timpe (Fernsehspiel)
1979 Bellas Tod (Fernsehspiel)
1979 Kotte (Fernsehspiel)
1978 Marija (Fernsehspiel)
1978 Ein Spieler ist am Ende (Fernsehspiel)
1978 Die Drehtür (Spielfilm von Andreas Kettelkack)
1978 Die Kur (TV-Serie) (5 Folgen)
1978 Die Beute der Fremden (Fernsehspiel)
1977 Der Aufmacher – Günter Wallraff bei BILD (C-Kamera, Dokumentarfilm von Jörg Gfrörer)
1975 Synthetischer Film oder Wie das Monster King Kong von Fantasie und Präzision gezeugt wurde (Dokumentarfilm von Helmut Herbst)
1974 Ein Haus für uns - Jugenderholungsheim (TV-Serie) (1 Folge)
1974 Die phantastische Welt des Matthew Madson (Spielfilm von Helmut Herbst)
1974 Um Haus und Hof (TV-Serie) (? Folgen)
1974 Unter einem Dach (TV-Serie) (? Folgen)
1974 Kolonie des Lächelns (Dokumentarfilm von Wolfgang Tumler)
1974 Helfen können wir uns nur selbst (dffb-Dokumentarfilm von Gardi Deppe)
1973 Nachkriegskinder im Krieg (Dokumentarfilm von Wolfgang Tumler)
1973 Der lange Jammer (Spielfilm von Max Willutzki)
1973 Persönlich sind wir uns näher gekommen (dffb-Spielfilm von Wolfgang Tumler)
1972 Jetzt gehen wir Türken verhauen (Co-Kamera, dffb-Dokumentarfilm von Horst Schwaab)
1971 Die Sklaven von S. (Co-Kamera, dffb-Dokumentarfilm von Horst Schwaab)
1971 Das Kartenhaus (Fernsehspiel)
1971 Alle kleinen Röschen... zu viel allein (dffb-Spielfilm von Christoph Busse)
1970 Der Tagesspiegel (Dokumentarfilm von Klaus Wildenhahn)
1970 Herb Alpert und die Tijuana Brass (Fernsehspiel)
1966 Jörg Preda berichtet (TV-Serie) (? Folgen)


REGIE (meist in Doppelfunktion mit Kamera):
1995-2006 Die Kommissarin (TV-Serie) (12 Folgen)
2004-2005 Balko (TV-Serie) (3 Folgen)
1996-2003 Ein Fall für zwei (TV-Serie) (12 Folgen)
1997-2002 Die Rettungsflieger (TV-Serie) (24 Folgen)
1998-2000 Fieber: Ärzte für das Leben (TV-Serie) (18 Folgen)
1997 Polizeiruf 110 - Heißkalte Liebe
1997 Sophie - Schlauer als die Polizei erlaubt (TV-Serie) (1 Folge)
1997 Ein Mord für Quandt (TV-Serie) (1 Folge)
1996 Wolffs Revier (TV-Serie) (5 Folgen)

DREHBUCH:
1989 Peter Strohm - Damenopfer (TV-Serie) (1 Folge)


(Zusammengestellt von René Perraudin.
Hinweise für Ergänzungen oder Korrekturen sind willkommen.)

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