2020/04/02: Nachruf für KARL SAURER


Nachruf für Karl Saurer
Dozent und Studienleiter an der dffb von 1980 bis 1984

KARL SAURER - 1943 bis 2020 - ABSCHIED VON EINEM HUMANEN FILMEMACHER

Am 12. März 2020 ist der Schweizer Filmemacher Karl Saurer an seinem Wohnort Einsiedeln im 77. Altersjahr unerwartet an einem Herzinfarkt verstorben.

Mit Karl Saurer verliert der Schweizer Film eine markante Persönlichkeit. Der Ansatz bei seiner Filmarbeit war, Machtverhältnisse nicht als gegeben hinzunehmen, sondern stetig zu hinterfragen, für eine lebenswerte, nachhaltige Welt einzustehen und den hohen Preis zu zeigen, den Ungerechtigkeit und Profitdenken hervorbringen. Er versuchte stets Geschichte „von unten“ zu erzählen, von Arbeitern, Bauern, Landlosen, Migranten, das heisst, mit den Betroffenen zu reden statt über sie zu erzählen. Mit seiner Arbeitsweise versuchte er, nach gründlichen Recherchen, die Leute in die filmische Arbeit einzubinden, dabei nie zu belehren, sondern durch Aufzeigen komplexer Vorgänge im Zuschauer, der Zuschauerin, einen Denkprozess anzuregen, Vorurteile abzubauen und Begegnungen zu ermöglichen, immer im Dienst von mehr Menschlichkeit und Nachhaltigkeit. Die bekanntesten Filme von Karl Saurer sind „Das Brot des Bäckers“, Regie: Erwin Keusch, 1976, für den er mit Keusch das Drehbuch schrieb, und der Dokumentarfilm „Ahimsa“, 2012, über die gewaltlosen Aktionen der Bewegung der Recht- und Besitzlosen in Indien. Im Jahr 2018 wurde Karl Saurer vom Kanton Schwyz mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.

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Karl Saurer wird am 16. Juli 1943 in Einsiedeln geboren. Nach dem Lehrerseminar in Rickenbach unterrichtet er zwei Jahre an der Primarschule in Feusisberg. Danach beginnt er an der Universität Zürich sein Studium.

1968 geht der 25-Jährige nach München, wo er Theaterwissenschaft studiert. Sein Studium führt ihn von da weiter nach Köln und Osnabrück. Und er schliesst mit einem Magister Artium in Medien- und Literatur- wissenschaft sowie Psychologie ab.

Ab 1969 beginnt Karl Saurer zu publizieren: Er schreibt Theater- und Filmkritiken für Tageszeitungen und Filmzeitschriften, in der Schweiz und der Bundesrepublik. Ab 1970 wird er auch Drehbuchautor.

Seinen ersten Film realisiert Karl Saurer 1970, zusammen mit seinem Freund Erwin Keusch. DAS KLEINE WELTTHEATER ist ein Dokumentarfilm über ein Strassentheater, welches DAS GROSSE WELTTHEATER von Caldéron kritisch hinterfragen und aufzeigen wollte, dass die Machtverhältnisse unter den Menschen nicht gottgegeben, sondern menschgemacht sind. Die Aufführung auf dem Klosterplatz in Einsiedeln wird jedoch gewaltsam verhindert. Mit diesem Film kommen Karl Saurer und Erwin Keusch 1970 erstmals an die Solothurner Filmtage, an die Schweizer Filmwerkschau.

Danach werden die beiden vom Schweizer Fernsehen eingeladen, bei einem neuen Jugendmagazin, genannt „Die Kehrseite“, mitzuarbeiten. Karl Saurer soll zusammen mit Gerhard Camenzind und Hannes Meier sechs Beiträge realisieren. Der erste Beitrag hat den ironischen Titel RUHE und will die damaligen gesellschaftlichen Machtstrukturen und Rollenverständnisse hinterfragen. Doch kurz vor der Ausstrahlung verfügt die konservative Fernsehdirektion den Abbruch des Projektes. Ohne Diskussion mit den Filmemachern.

Dies lassen die engagierten Jungfilmer nicht auf sich beruhen. Unter dem ironischen Titel ES DRÄNGEN SICH KEINE MASSNAHMEN AUF - oder SELBSTZENSUR IST BESSER drehen Hannes Meier, Erwin Keusch und Karl Saurer ein witziges ‚filmisches Flugblatt‘. Und sie nutzen die Solothurner Filmtage1973 für eine wirksame Präsentation und lösen damit eine heftige Auseinandersetzung mit der behäbigen Direktion des Schweizer Fernsehens aus. Dass der Film an die renommierten Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen eingeladen wird, ist ein schöner Erfolg für die jungen Filmemacher.

Im Jahr 1973, fünf Jahre nach dem Mai 1968 brodelt es auch in der Schweizer Jugend. Es ist die Zeit der Hippies, des Vietnamkrieges und des politischen Aufbruchs. Auf der anderen Seite steht der erratische Block eines konservativen, männlichen Bürgertums, das seine Positionen und Privilegien gegenüber den gesellschaftspolitischen Forderungen der jungen Generation verteidigt. Das Frauenstimmrecht wird in der Schweiz bekanntlich erst 1971 eingeführt.

Wie so oft im Leben von Karl Saurer, ergeben sich aus den Lebensumständen, aus Begegnungen mit Menschen, aus dem Zusammenprall mit Wirklichkeiten, neue Filmprojekte. Auf einer Rückfahrt von seinem Wohnort Köln in die Schweiz unterbricht Karl in Basel seine Reise und geht nach Kaiseraugst. Dort haben Leute, er hat es in der NZZ gelesen, aus Protest den Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks besetzt. Sofort ist ihm klar, dass man über diese Bewegung, zusammen mit den Protestierenden, einen Film drehen muss.

Bei seinen Kollegen vom Filmkollektiv in Zürich stösst er damit aber zuerst auf Skepsis. Er lässt sich jedoch nicht beirren. Nach einem gemeinsamen Besuch des Besetzerdorfes der ‚Bewegig‘ ist die Sache klar und sie realisieren 1975 gemeinsam, ohne staatliche Förderung, den Interventionsfilm KAISERAUGST. Der Film wird in der Folge in der Schweiz und auch in Deutschland oft gezeigt. Das Atomkraftwerk Kaiseraugst wird schliesslich nicht gebaut, es war politisch nicht durchsetzbar, ein Erfolg der ‚Bewegig‘.

Zusammen mit Claus Niederberger realisiert Karl Saurer in der Folge die Ausstellung PROFITOPOLIS oder DER MENSCH BRAUCHT EINE ANDERE STADT. Sie findet auf dem Areal des abgebrannten Bahnhofs in Luzern statt, gesponsert von der katholisch-konservativen Tageszeitung „Vaterland“.

Nun springt das Schweizer Fernsehen einmal über seinen Schatten und lässt Saurer, zusammen mit Gerhard Camenzind, die Fernsehdokumentation TATORT LUZERN oder DER MENSCH BRAUCHT EINE ANDERE STADT realisieren.

Was vermisst ein Schweizer im Ausland am meisten? Für viele ist es das Brot. Für Karl Saurer und seinen Kollegen Erwin Keusch war es in Deutschland wohl gleich. Das Brot ist aber nur ein Ausgangspunkt zu einem sehr erfolgreichen Filmprojekt, in dem es ihnen darum ging, den prägenden Einfluss der Arbeit auf die Lebensbedingungen zu zeigen.

Saurer und Keusch schreiben zusammen das Drehbuch zu DAS BROT DES BÄCKERS. Der Film wird 1976 unter der Regie von Erwin Keusch gedreht und gewinnt den Deutschen Filmpreis in Silber. Der Hauptdarsteller Günter Lamprecht bekommt gar das Filmband in Gold. Es folgen der Max-Ophüls-Preis, zahlreiche weitere Auszeichnungen und eine erstaunliche internationale Kinokarriere.

Dieser Erfolg führt zum nächsten Spielfilm, von der Backstube in die Küche und von da in das Restaurant. In den Jahren 1981 und 1982 entsteht der wunderbare Fernsehfilm DER HUNGER, DER KOCH UND DAS PARADIES, ein höchst appetitanregender ‚Film in dreizehn Gängen‘, eine Genuss- und Lebensreise, mit Dieter Moor (heute Max Moor), die von der Genossenschaftsbeiz RÖSSLI in Stäfa zum Gourmet-Tempel CHEZ MAX und von da in eine Betriebskantine führt.

Von 1980 bis 1984 wirkt Karl Saurer als Studienleiter und Dozent an der Deutschen Film- und Fernseh- akademie DFFB in Berlin. Er leitet ausserdem das DFFB-Forum und empfängt Gäste wie Joris Ivens, Johan van der Keuken, Alexander Mitta, István Szabó und Andrej Tarkowskij, nenommierte Filmemacher, die in die Filmgeschichte der Welt eingegangen sind.

Karl Saurer ist in dieser Zeit fest integriert in die Berliner Filmerszene, er geht oft zu einem Bier ins TERZO MONDO und freundet sich mit dessen Besitzer, dem Griechen Kostas, bekannt aus der TV-Serie LINDENSTRASSE, an. Und am Samstagnachmittag spielt er auf dem Rasen vor dem Reichstag Fussball, mit Schweizer Filmleuten und Studenten gegen deutsche Filmemacher und Filmkritiker. Auch an verschiedenen Filmfestivals ist Karl immer wieder anzutreffen, an der Berlinale im Internationalen Forum des jungen Films, den Kurzfilmtagen in Oberhausen, den Hofer Filmtagen, der Duisburger Filmwoche, der Dok-Woche in Leipzig (DDR) und jedes Jahr an den Solothurner Filmtagen. Überall bringt er sich als insistierender, aber nie demagogischer Debattierer in die film- und gesellschaftspolitischen Diskussionen ein.

1982 realisiert Karl Saurer, zusammen mit Hannes Meier, die Dokumentation DAS UNBEHAGEN AN DER VERGANGENHEIT. SCHWEIZER FILME VON GESTERN UND HEUTE. Das Thema ist die klassische Periode des alten Schweizerfilms von 1935-1960, die stark durch den Widerstand gegen den deutschen Nationalsozialismus und die Isolation während des Zweiten Weltkriegs geprägt war. Im Film kommen die verdienten alten Regisseure Leopold Lindtberg, Franz Schnyder und Sigfrit Steiner zu Wort. Und von der jüngeren Generation Markus Imhoof, der mit seinem Film DAS BOOT IST VOLL einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung dieser schwierigen Zeit geleistet hat. DAS UNBEHAGEN AN DER VERGANGENHEIT ist eine höchst interessante Dokumentation zur Geschichte der Schweiz. Sie wird vom Bayerischen Rundfunk produziert, vom Schweizer Fernsehen aber leider nie gezeigt.

In den Jahren ab 1985 konzentriert Karl Saurer seine Tätigkeiten auf Lehraufträge, Konzeptentwicklungen für Lehranstalten und Festivals, z.B. für Nyon, sowie auf internationale Seminare und Filmtourneen in Afrika, Indien und den USA.

In dieser Zeit kehrt er oft an seinen Geburtsort Einsiedeln zurück, um seine alte Mutter zu besuchen. Aus den Gesprächen mit den Einheimischen kommt die Inspiration zu einem neuen Filmprojekt: Mit noch lebenden Zeitzeugen will er einen Film über den Bau des Sihlsee-Staudamms realisieren, ein grosses Projekt, das seine Zeit braucht.

In seiner neuen alten Heimat realisiert Kari zusammen mit Franz Kälin 1991 den Dokumentarfilm HOLZ SCHLÄIKE MID ROSS, bei dem das Thema Arbeit mit der Oekologie verbunden wird. Der Film schildert die höchst kunstvolle, hochsensible Zusammenarbeit zwischen Mensch, Tier und Naturgegebenheit (Schnee, Kälte, Neigung des Gefälles) im Dienst einer nachhaltigen, sanften Nutzung der Ressource Wald/Holz im Gegensatz zur zerstörenden industrialisierten Nutzung durch Riesenmaschinen (Traxe) und Flugkörper (Helikopter).

Dass er schliesslich in Einsiedeln wieder Wurzeln schlägt, ist aber der Begegnung mit Elena Fischli zu verdanken, seiner Lebenspartnerin. Seit 1988 wirkt sie als inspirierende und motivierende Projektmitarbeiterin und Drehbuchautorin an Karls Filmen mit.

Zusammen mit Elena Fischli entstehen, im Rahmen der 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft, für die Reihe „Bulles d’Utopie“, sieben fiktionale Kurzfilme über schweizerische Zukunftsvisionen, die eine gerechtere, vielfältigere, sinnreiche Schweiz zum Thema haben.

Was ist Heimat? Heimat hat nicht unbedingt mit Nation zu tun. Heimat ist für viele der Ort, wo man sich am Leben beteiligt, sich einmischt, seinen Beitrag an die Gemeinschaft, an die Gesellschaft, leisten will.

Sinnbildlich dafür stehen die Filme von Karl Saurer, die von nun an entstehen:
1992 KEBAB & ROSOLI, mit Elena Fischli, ist ein Film mit Heimischen und Geflüchteten, mit aktiver Mitarbeit von Tamilen und Kurden, die bei uns in der Schweiz Asyl suchen. Er zeigt auf wie Ungerechtigkeit und Not Menschen zu Migranten machen und wie ihnen auch in den „Gastländern“ oft wieder Unrecht widerfährt, weil sie als ökonomische Belastung und nicht als Menschen gesehen werden. Es wird ein viel gezeigter Interventions-Kurzfilm und Karl Saurer nutzt ihn – wie alle seine Filme – um in direkter Begegnung den Diskurs mit einem breit gefächerten Publikum zu führen.

1993 folgt der lange Film DER TRAUM VOM GROSSEN BLAUEN WASSER. Fragmente und Fundstücke einer Hochtal-Geschichte. Von der Stauung des Sihlsees im Jahr 1937 sind rund 1700 Personen direkt betroffen. Viele Bauernfamilien im Sihltal verlieren dadurch ihre Existenzgrundlage. Doch die Schweizerischen Bundesbahnen benötigen im Unterland Elektrizität, zum Ausbau der Mobilität der industriellen Gesellschaft. Die filmische Aufarbeitung dieses Prozesses, Land-Enteignung und Bau des Stausees, wird von der Filmkritik als exemplarische und facettenreiche „Geschichte von unten“ gewürdigt. Zu dieser „schweizerischen Kolonialgeschichte“ gibt Karl einige Jahre später das vielfältige und sorgfältig gestaltete Bildsachbuch DER SIHLSEE. EINE LANDSCHAFT ÄNDERT IHR GESICHT heraus. Eine Art anderes Heimatbuch.

Ebenfalls eine Geschichte von Gewinn und Verlust, von Gewinnern und Verlierern, thematisiert der nächste Film, der 1997 herauskommt: STEINAUER NEBRASKA. Er erzählt die Geschichte von drei Brüdern, die 1852 aus der Innerschweiz nach Amerika aufbrechen und sich schliesslich in Nebraska niederlassen und den Ort Steinauer gründen. Für die aus wirtschaftlichen Gründen emigrierten Schweizer bietet sich im amerikanischen Westen die Chance für eine neue selbstbestimmte Existenz. Für die Ureinwohner dieses Landes, für die Indianer, bedeutet das Erscheinen des weissen Mannes aber den Anfang von Vertreibung und Untergang.

Karl Saurer schildert dieses Dilemma wie gewohnt sensibel und mit wachem Blick für Widersprüche. Hier gelingt ihm die Verbindung des Themas Migration mit dem Thema der Ausblutung und Ausbeutung des Bodens. Er zeigt exemplarisch die verlorengegangene Haltung der Indianer auf, die Boden nicht als Eigentum betrachtet haben, sondern als gebende Mutter. In subtiler, poetischer Weise wird hier quasi der Kollaps des Hyperkapitalismus in der Landwirtschaft gezeigt und das Warten auf einen neuen Zyklus, der indianischer geprägt sein wird.

Karl Saurer hat seine Themen nie gesucht, sie sind ihm auch nicht einfach zugefallen. Sie sind ihm einfach begegnet und es scheint für ihn jeweils eine innere Notwendigkeit gegeben zu haben, diese Themen aufzugreifen und filmisch umzusetzen. Es gelingt ihm dabei immer wieder vorzüglich, Filme poetisch und dialektisch so zu gestalten, dass sich beim Betrachten der Blick, der Horizont, öffnet und wir Raum erhalten für eigenes Erkennen, Nachdenken und Fragen.

Im Südtirol lässt er sich von einem Fresko an einem Gasthaus, das einen Elefanten zeigt, inspirieren. Er will mehr über die abenteuerliche Geschichte dieses Elefanten erfahren, der, zusammen mit seinem Mahout, um das Jahr 1550 als königliches Präsent und Statussymbol von Südindien über Lissabon und Genua nach Wien gebracht wurde. Was für eine spannende Möglichkeit, in ungewohnter Weise etwas über die Anfänge des europäischen Kolonialismus und Aspekte der Migrationsproblematik von heute zu erzählen!

Für diesen Film, er bekommt den Titel RAJAS REISE, reist Karl Saurer erstmals nach Indien, wo diese Reise, und damit die Geschichte, ihren Anfang nahm. Undenkbar, dass er sich dort als Nabob mit dem grossen Portemonnaie, als überlegener Filmemacher aus dem reichen Europa, aufführt und er realisiert die lokalen Dreharbeiten mit Hilfe einheimischer Filmtechniker. Seiner zutiefst humanen Haltung, die in allen seinen Filmen spürbar wird, ist er auch in Indien treu geblieben.

In Indien entsteht auch Karls letzter Film, AHIMSA – DIE STÄRKE VON GEWALTFREIHEIT. Er ist beeindruckt von der indischen Basisbewegung EKTA PARISHAD (Hindi: „solidarischer Bund“), die mit gewaltlosen Aktionen den Recht- und Besitzlosen beisteht. Der Film gibt den Kastenlosen, die auch ein Recht auf Menschenwürde haben, eine Stimme und damit den Beweis ihrer Existenz, damit sie ihre Rechte einfordern können.

Für AHIMSA arbeitet Karl nicht nur erneut mit indischen Kamera- und Tonleuten zusammen, sondern ermutigt sie auch, selber Filme zu machen, abseits vom erfolgreichen, aber meist seichten und kitschigen BOLLYWOOD.

AHIMSA ist kein Thesenfilm, der in Indien gedreht und dann nur in der Schweiz oder Deutschland an Festivals gezeigt wird. Karl ist mit ihm nach Indien, zu den Betroffenen, zurückgekehrt. Den Menschen aus allen Gegenden und Schichten wollte er zeigen, dass gewaltlose, politische Aktionen Erfolg haben können. Es freute ihn sehr, dass AHIMSA bis heute auch in Afrika und Lateinamerika gezeigt wird: Als ein Film, der aufklärt, bildet, mobilisiert und Mut macht.

Schaut man auf die Titel von Karl Saurers Schaffen zurück, verbindet man die Filme mit den Orten, wo er gelebt und gearbeitet hat, so ergibt das ein Netz, das einen grossen Teil der Welt umspannt. Er drehte nicht Filme über, sondern mit Leuten und er liess sich bei den Recherchen und an den Drehorten von Entdeckungen und Inspirationen leiten. Bei der Montage seiner Filme , die nie belehrend war, favorisierte er eine fragmentarische Vorgehensweise, die viele Facetten zum Ausdruck bringen kann und dem Zuschauer, der Zuschauerin, die Freiheit zu fühlen und zu denken überlässt, um selber zu Schlüssen oder noch besser zu Fragen zu kommen. Mit seinen Filmen hat er feine, komplexe Gebilde geschaffen, die nicht nur den Betrachter und die Betrachterin bereichern, sondern, mit ihrem emanzipativen Ansatz, auch alle Beteiligten, die Filmtechniker wie die gefilmten Personen.

Ausgegangen ist Karl Saurer von seiner Heimat in Einsiedeln und wo er bis zu seinem Tod wieder seinen Lebensmittelpunkt hatte. Er war in einem Alter, in dem sich andere längst auf das Altenteil zurückgezogen haben. Doch ein kreativer, politisch engagierter Filmemacher kennt keine Pensionierung. Seit gut zwei Jahren arbeitete Karl Saurer an einem neuen Projekt, dessen Hauptfigur ebenfalls in Einsiedeln geboren ist und mit offenem Blick viel in der Welt unterwegs war. Es sollte ein Film über den Arzt, Alchemisten und Naturphilosophen Paracelsus (1493 oder 1494 bis 1541) werden, der der Nähe von Einsiedeln, in Egg, Kanton Schwyz, geboren wurde.

Im Jahr 2018 wurde Karl Saurer vom Kanton Schwyz für sein filmisches Lebenswerk mit dem Schwyzer Kulturpreis ausgezeichnet.

*** Wir danken Thomas Pfister, der diesen Nachruf mit Unterstützung von Elena Hinshaw-Fischli verfasst hat ***